Montessori-Pädagogik

Maria Montessori – Begründerin einer neuen Pädagogik

(Auszug aus der Konzeption)

Maria Montessori wird 1870 geboren. Insbesondere die außergewöhnlich hohe Arbeitsbelastung während ihrer Studienzeit dürfte wohl ihren Arbeitsethos – der Mensch sei nur glücklich, wenn er arbeite – gestärkt haben. Im Jahr 1896 wurde Maria Montessori als erste Ärztin Italiens gefeiert.

Wesentliche Elemente ihrer pädagogischen Theorie und Praxis übernimmt Montessori aus den Werken J. Itards (1774-1838) und dessen Schüler E. Séguin (1812-1880). Der entscheidende Gedanke Itards und Séguins ist die Einheit von Intellekt und Sinnestätigkeit. Zur Schulung der sinnlichen Wahrnehmung und der Motorik entwickelt Itard und später auch Séguin didaktische Materialien.

Beispielsweise dienen Gegenstände unterschiedlicher Oberflächenstruktur der Schulung des Tastsinns. Séguin entwickelt sowohl Turngeräte zum Training der Motorik, als auch Übungen zur Schärfung der Sinneswahrnehmung, z.B. geometrische Figuren, die in Formen eingepasst werden sollen oder verschieden lange Stöcke, die es zu sortieren gilt.
Mit ihrer Erweiterung und Weiterentwicklung der Materialien gehört sie neben Itard und Séguin zu den Begründern der modernen Heilpädagogik.

Das von Montessori 1906 im römischen Stadtviertel San Lorenzo gegründete Kinderhaus „Casa dei Bambini“ bildet den Ausgangspunkt der praktischen Umsetzung ihrer Pädagogik.

Maria Montessori achtet das Kind in seiner Persönlichkeit. Sie sieht das Kind als ganzen vollwertigen Menschen.  „Das Kind muss nicht erst Mensch werden, es ist Mensch“ ( Janusz Korcazak ). Die Erziehung soll dem Kind helfen, seine Persönlichkeit zu entwickeln, indem sie ihm Raum für freie Entscheidungen gibt. Bei dieser Gelegenheit handelt das Kind selbstständig und folgt dem eigenen Lebensbedürfnis.

Leitmotive Maria Montessoris, die als Grundlage unserer pädagogischen Arbeit dienen

Die vorbereitete Umgebung

„Man schützt die Gegenstände vor den kleinen noch ungeschickten Händen, man fängt mit Tadel und Verboten an zu erziehen und merkt nicht, wie viele Wunden man damit schlägt, statt eine Umgebung zu schaffen, die der Aktivität des Kindes Rechnung trägt.“ (M. M.)
Montessori riet ihren Schüler_innen das „Maß zwischen Übertreibung und Mangel an Raum und Dingen“ „Ein Übermaß führt zur Verwirrung und Orientierungslosigkeit, ein Mangel kann geistige Unterernährung bewirken.“   (E. Holtstiege)

Die Umgebung ist von zentraler Bedeutung für spontanes Handeln, also für selbstständiges Lernen. Dabei legte Maria Montessori besonderen Wert auf die Überschaubarkeit der angebotenen Materialien und deren attraktive und aktivierende Erscheinungsform. Der Arbeitsplatz und die Arbeitsumgebung sind so hergerichtet, dass die freie Wahl der Arbeit ermöglicht und gefördert wird.
Die folgenden drei Strukturmomente bestimmen die vorbereitete Umgebung:

  • Das personal -/ soziale Moment
  • Das materiale Moment
  • Das strukturell dynamische Moment

Das Personal -/ soziale Moment: eine alters-, leistungs-, geschlechtgemischte Gruppe zu der auch die Erzieher als Verhaltensmodell zählen. In dieser sozialen Mischung entwickeln Kinder Sozialkompetenzen sowie ein realistisches Selbst- und Weltbild. Aus den Leistungs- und Interessenunterschieden ergeben sich Anreize, dass zu lernen, was andere schon können.

Das materiale Moment: das sind die pädagogisch-, wissenschaftlich ausgewählten aufbereiteten und geordneten Bildung-, Lern-, Beschäftigungs- und Spielangebote.

Das strukturell dynamische Moment: das sind Prinzipien nach denen die vorbereitete Umgebung organisiert und die pädagogisch didaktische Arbeit durchgeführt wird.

Dazu zählen unter anderem:

  • Das Prinzip der Ordnung: Aufteilung der Bildungsangebote in bestimmte Lernbereiche, wie
    Sinneserziehung, Sprache, Naturwissenschaft, Ordnung nach Schwierigkeits- bzw. Abstraktionsgraden
  • Das Kegelprinzip (Hierarchie des Erkenntnisprozesses): Montessori sieht in der
    Persönlichkeitsentwicklung eine Hierarchie der Kompetenzbildung von der Entwicklung basaler Kompetenzen
    über Abstraktions- und Erkenntnisfähigkeit bis hin zur Fähigkeit zum selbstständigen und schöpferischen
    Ausdruck.
  • Das Prinzip der Begrenzung: z.B. des Lernstoffs nach Umfang und Schwierigkeitsgrad
  • Das Prinzip der freien Wahl der Tätigkeiten: Freiarbeit
  • Prinzip des Wechsels von direkter und indirekter Erziehung: Indirekte Erziehung meint Hinweise, Anleitung und Lernimpulse geben, ohne dass ein bestimmtes Kind direkt angesprochen wird. Dazu gehört auch das Prinzip der unteren Grenze des Eingreifens, d.h. nur soviel Hilfe geben wie das Kind für seine Selbsttätigkeit benötigt.

Der neue Erzieher

Das Kind ist ein Fremder in der sozialen Ordnung der Erwachsenen und könnte sagen, mein Reich ist nicht von dieser Welt. Die Pädagogik hat also Forderungen aufzustellen, die sich an den Erwachsenen richten und nicht an das Kind. „Statt des Redens muss sie das Schweigen lernen, statt zu unterrichten muss sie beobachten, statt der stolzen Würde dessen, der unfehlbar erscheinen will, muss sie das Kleid der Demut anlegen.“ Dem Kind muss geholfen werden, wo das Bedürfnis für Hilfe da ist. Doch schon ein zuviel dieser Hilfe stört das Kind. Zeig mir wie es geht. Tu es nicht für mich. Ich kann und will es selbst tun. Hab aber auch Geduld, meine Wege abzuwarten und zu begreifen. Bitte beobachte mich nur und greife nicht ein. Ich werde üben. Ich werde meine Fehler, die ich mache erkennen. Das Material zeigt sie mir selbst.“ (M. M.)

Zu den persönlichen Anforderungen an den Erzieher zählen charakterliche Eignung, eine gefestigte Persönlichkeit, Feinfühligkeit, Liebe zum Kind, Selbstreflektion und Bereitschaft zum Dienst am Kind auf seinem Weg zur Unabhängigkeit. Außerdem allgemeine sowie pädagogisch, wissenschaftliche Sachkompetenz.

Feinfühliges Verhalten gegenüber dem Kleinkind ist die Voraussetzung für den Aufbau einer vertrauensvollen und tragfähigen Beziehung und beinhaltet, die Signale des Kindes wahrzunehmen, richtig zu interpretieren und prompt sowie angemessen darauf zu reagieren. Dadurch lernen sie, dass sie selbst etwas bewirken können und es wert sind, dass auf ihre Bedürfnisse eingegangen wird.

So entwickeln Kinder Vertrauen in sich und andere. Sie erfahren Wertschätzung durch die Menschen, mit denen sie in Beziehung getreten sind. Sie verinnerlichen die Erfahrung, dass sie liebenswert und liebensfähig sind und von erfahrenen Bezugspersonen Hilfe erhalten, wenn sie selbst an ihre Grenzen stoßen.

Kinder, die sich wertgeschätzt und verstanden fühlen, zeigen Engagiertheit
und Wohlbefinden – wesentliche Kennzeichen gelingender Bildungs- und Entwicklungsprozesse.

In der täglichen Praxis sind folgende Tätigkeiten hervor zu heben:

  • Aufbau und Pflege einer funktionsfähigen, vorbereiteten Umgebung
  • Aktualisierung der vorbereiteten Umgebung in Hinblick auf den Entwicklungsstand des Kindes
  • Fachdidaktisch methodische Beherrschung aller Lernangebote
  • Methodenvielfalt
  • Individualisierung der Lernangebote
  • experimentalpädagogische Kompetenz
  • Erziehungskompetenz

Das Kind als Baumeister seiner selbst

Maria Montessori geht davon aus, dass jedes Kind einen inneren Bauplan besitzt. Es kommt nicht, als weißes Blatt Papier oder leeres Gefäß, das mit Wissen gefüllt werden muss, auf die Welt. „Das Kind ist nicht ein leeres Gefäß, das wir mit unserem Wissen angefüllt haben und dass uns so alles verdankt. Nein, das Kind ist der Baumeister des Menschen, und es gibt niemanden, der nicht von dem Kind, dass er selbst einmal war, gebildet wurde.“ Damit stimmt sie mit Pestalozzi ( 1746 – 1827 ) überein, der sagte: „[…] desto mehr habe ich mich davon überzeugt, dass die Fortschritte der Natur ungeheuer groß sind und dass das Kind in sich selbst die Kraft hat, ihnen zu folgen.“

Frühkindliches Lernen findet dann statt, wenn die Aktivität vom Kind ausgeht und es selbst erkundet, erfährt – mit möglichst vielen Sinnen und in emotionaler Sicherheit. Das frühkindliche Gehirn ist für aktives Erkunden und Lernen geschaffen. Jedes vom Kind ausgehende aktive Erkunden, Lernen, Begreifen, Verstehen wird durch Belohnungsmechanismen unterstützt.

Mit jeder Erkenntnis erfährt das Kind eine intrinsische Beglückung, so dass es immer weiter verstehen und lernen möchte. Dieser Belohnungsmechanismus funktioniert jedoch nur bei selbstinitiiertem Lernen. Kinder sind Experten für ihre Sicht der Dinge.

Kinder besitzen noch weitere angeborene „Helfer“, um ihren Weg in ein unabhängig und selbstbestimmtes Leben zu gestalten. Beispiele dafür sind die sensitiven Perioden, die Polarisation der Aufmerksamkeit und die Nachahmung.

Innerhalb der Lebensspanne gibt es Zeiträume, die für bestimmte Lernprozesse oder Entwicklungsaufgaben besonders geeignet sind. Innerhalb dieser sensiblen Perioden geschieht die Bearbeitung der Entwicklungsaufgaben mit dem geringsten Aufwand.

Die Freiarbeit

Eine Polarisation der Aufmerksamkeit und Konzentration als Voraussetzung erfolgreichen Lernens gelingt optimal in einer bestimmten pädagogischen Atmosphäre der relativen Freiheit von Angst, Leistungsdruck oder Zwang, durch Ermutigung und Vertrauen in das lernbegierige Kind. In dieser Wahl-, Lern- und Handlungsfreiheit kann das Kind seine Entwicklungsbedürfnisse in der Freiarbeit offenbaren.

Der Prozess der Freiarbeit verläuft in drei Phasen:

  1. Dem Suchen und Finden eines Gegenstands, einer Tätigkeit oder Entwicklungsaufgabe
  2. Der „großen“ Arbeit; gekennzeichnet durch vielfältige Wiederholungen und Variationen und Polarisation auf die Tätigkeit bis zur „Weltvergessenheit“
  3. Der Reflektion des Erlernten, d.h. methodische und inhaltliche Bewusstwerdung, Einordnung des Erlernten in das bestehende Erfahrungsgefüge.

Die genaue Beobachtung der Mitmenschen – um am Modell, am Vorbild durch Nachahmung lernen zu können – ist ebenfalls Teil des selbsttätigen Lernens. Das Kind macht sich alles aus seiner Umgebung zu eigen: Gewohnheiten, Rituale, Werte, Religion. Von Geburt an beginnen Kinder Handlungen und Verhaltensweisen der Bezugspersonen zu imitieren und nachzuahmen. Dies beginnt mit dem imitieren der elterlichen Mimik, führt über das probieren elterlicher Handlungs- und Konfliktstrategien, bis hin zum Erproben von Lebens- und Lernansätzen der Spielkameraden, der Erzieher und Lehrer.

Unser Bild vom Kind

Wir sehen Kinder als individuelle Persönlichkeit, die wie jeder ein Recht auf Gleichberechtigung, Fairness und Bildung haben. Jedes Kind hat einen Anspruch darauf, gute Chancen für eine lebenswerte Perspektive in der Gesellschaft zu bekommen. Unabhängig von sozialer, ethnischer und ökonomischer Herkunft der Familie. Unabhängig von physischen und psychischen Beeinträchtigungen. Jeder Mensch auf dieser Welt hat das Recht auf ein selbstbestimmtes und glückliches Leben.

Um ein selbstbestimmtes Leben zu führen, müssen drei Grundbedürfnisse befriedigt werden – Eingebunden sein in eine Gemeinschaft, Kompetenz und Autonomie. Werden die Grundbedürfnisse ausreichend befriedigt, kann das Kind sich aktiv mit seiner Umwelt auseinandersetzen und die alterstypischen Entwicklungsaufgaben gut bewältigen.

Angetrieben wird die kindliche Entwicklung in ihren körperlichen, psychischen und geistigen Teilfunktionen durch eine angeborene Aktivität. Merkmal dieser Aktivität ist das Streben nach Unabhängigkeit, also z.B. selbstständig erkennen, denken, sprechen, urteilen, verantwortlich handeln zu können.

Diese Humankompetenzen erwirbt das aktive Kind durch eine ebenfalls angeborene Anpassungsfähigkeit bzw. Weltoffenheit, durch die es sich aktiv an seine Umgebung anpasst, darin die für sein Leben erforderlichen Erfahrungen sammelt und in den Kompetenzen, wie Sprache, Denken, Sozialverhalten u.s.w. umwandelt.

Gemäß ihres inneren Bauplanes entwickeln Kinder sich immer weiter. In den sensitiven Perioden geschieht die Bearbeitung der Entwicklungsaufgaben mit dem geringsten Aufwand – vergleichbar mit den Aufgaben des Erwachsenen, dem die geliebte Betätigung leicht von der Hand geht.

Dabei nutzt es Beispiele aus seiner Umgebung, die es durch Beobachtung erfahren hat und überprüft seine Strategien auf Erfolg und Nutzen. Hierbei werden die einzelnen Schritte oft wiederholt, um den Lerninhalt zu vertiefen und zu verinnerlichen.

Das Erlernen und Trainieren seiner Fähigkeiten ist die Arbeit des Heranwachsenden. Hierbei verweisen wir darauf, dass es Fertigkeiten gibt, die sich das Kind ohne Hilfe des Erwachsenen aneignen kann, Fähigkeiten, die es durch die Umgebung in der es sich aufhält erlernt und Fertigkeiten, die es durch Anleitung eines Erwachsenen oder eines schon weiter entwickelten Kindes erlernt.